Beeinflusst die Angst vor dem Schmerz, wie stark ich den akuten Schmerz empfinde?


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Jun 22 2017 2 mins   460
Das ist genau der Verstärkungsfaktor. Das ist dieser Leidensdruck, der sich aufbaut, die Erwartungshaltung. Was die Erwartungshaltung auf das Schmerzempfinden auslöst, kennen Sie schon, wenn Sie ängstlich sind vor dem Zahnarztbesucht. Wenn Sie Angst haben vor dem Zahnarzt, dann ist schon das Denken an den Zahnarzt schmerzhaft, weil Sie einfach wissen oder erwarten, dass es weh tun wird.

Ist das nicht eine andere Art von Schmerz? Etwas, was ich als psychisch bezeichnen würde, die Angst vor etwas. Das ist ja nicht das Gleiche, als wenn ich auf dem Zahnarztstuhl sitze und der Zahnarzt bohrt.

Sie werden ganz überrascht sein, dass dieser Leidensdruck in den gleichen Strukturen des Gehirns entsteht oder dort „verrechnet“ wird, in denen Angst, Depressionen und stimmungsabhängige Prozesse ablaufen. Die Trennung zwischen körperlichem und psychischem Schmerz können Sie vergessen. Das muss man ganz eng zusammen sehen. Beim Zahnarzt ist es vielleicht so, weil sie nicht so oft zum Zahnarzt müssen, dass Sie deshalb nicht so ängstlich sind. Aber wenn sich z.B. Rückenschmerz über Jahre immer weiter aufschaukelt und Sie ihn immer stärker und immer wieder bekommen und vielleicht in einem Vierteljahr ein bis zwei Mal für eine ganze Woche praktisch inaktiviert sind, dann werden Sie mürbe, dann werden Sie ängstlich, dann werden Sie aggressiv, dann schlafen Sie schlecht. Weil Sie der Rücken nicht schlafen lässt, haben Sie ein Schlafdefizit und das ist wiederum schmerzverstärkend. Dadurch schaukelt sich alles auf. Wir sprechen vom Leidensdruck. Und das ist im Endeffekt das Schmerzgedächtnis. Das besteht auch, wenn Sie gerade kein Schmerz unmittelbar belastet. Aber Sie wissen, er ist im Hintergrund. Das Gehirn vergisst ja nicht, es hat keine Löschtaste, mit der man fünf oder sechs starke Ereignisse wie Rückenschmerzen einfach ausradiert. Das kann man nicht. Man kann es zwar mildern durch bestimmte Maßnahmen. Und da ist natürlich gefragt, welche Therapie wir einsetzen. Wir nutzen heute mit Erfolg Psychopharmaka, die früher für ganz andere Dinge verabreicht wurden. Aber hier ist es ganz wichtig, dass man das langfristig macht. Weil es eben eine Erinnerung ist, die nicht einfach gelöscht werden kann.